Hämoglobinopathien | SYNLAB Leistungsverzeichnis
Humanmedizin
Verfahren
Analyse-Typ
Kürzel
Untersuchung
Material
Proben-Volumen
Methode
Hb-Elektrophorese
Nachweis von Hämoglobinopathien und Thalassämien.
EDTA-Blut
2,7 ml
KEL
EDTA-Blut
2,7 ml
KEL
EDTA-Blut
2,7 ml
KEL
Hämoglobin F Hb-F Zellen
o/oo fetale Zellen x 1,8 x 1,22 = fetomaternal transfundierte Menge in ml. HbF-Quantifizierung siehe Hb-Elektrophorese.
EDTA-Blut
2,7 ml
FCM
EDTA-Blut
2,7 ml
KEL

Hämoglobinopathien

Allgemeines

Die Hämoglobinopathien sind das Ergebnis von angeborenen Mutationen in der Struktur des Hämoglobinmoleküls. Es kann sich dabei um Punktmutationen, Genfusionen, Reduplikationen oder auch ganze Deletionen, Insertionen bzw. Inversionen von chromosomaler genomischer DNA handeln. Während es bei den letzteren Formen vor allem zu einer Minderung oder gar vollständigem Verlust der Expression der entsprechenden Unterkette des Hämoglobins kommt (Beispiel: a-Thalassämien), können Punktmutationen ganz unterschiedliche Auswirkungen haben.
Gegenwärtig sind über 700 anomale Hämoglobine charakterisiert. Abhängig vom Ort und Art der Mutation kann dies zu unter Umständen ganz erheblichen strukturellen und funktionellen Veränderungen des Moleküls führen. Es kann sich dabei um eine Änderung der Löslichkeit des Hämoglobins (z.B. Hb-S, Hb-C), einer vermehrten oder verminderten Affinität für Sauerstoff (Hämoglobinopathien mit begleitender Polyglobulie, Hb-Bethesda, Hb-Luton, bzw. Zyanose und Anämie, Hb-Kansas) oder auch einer verminderten Stabilität des Moleküls (Hämoglobinopathien mit begleitender Hämolyse, Hb-Köln, Hb-Hammersmith) handeln.
Einige Mutanten zeigen eine erhöhte Oxidierbarkeit des Hämoglobins und werden daher unter dem Begriff Hämoglobin M (M für Methämoglobin mit klinischer Zyanose; z.B. Hb-Boston, Hb-Hyde Park) zusammengefasst. Punktmutationen in Regionen, die die Transkription der genomischen DNA, das Splicing der m-RNA, die Stabilität der m-RNA oder die Translation der m-RNA beeinflussen, können zu einer verminderten Syntheserate der entsprechenden Hämoglobinkette führen (Beispiel: ß-Thalassämien).
Diagnostik: Die Diagnostik der Hämoglobinopathien ist aus verschiedenen Gründen vielfältig. Verschiedene Hämoglobinopathien können gleichzeitig bei einem Patienten vorliegen und damit das klinische Bild deutlich verstärken oder auch abschwächen. Das klinische Spektrum kann von schwersten, oft sehr charakteristischen Symptomen (Thalassaemia major, Sichelzellanämie, Hb-Bart, Hb-H Erkrankung) bis hin zu minimalen oder völlig fehlenden Veränderungen des Blutbildes ohne klinisches Korrelat variieren.
Für die genetische Familienplanung kann aber auch eine klinisch stumme Thalassaemia minor oder minima von grosser Bedeutung sein, da die Kombination zweier von den Eltern ererbter Hämoglobinopathien im Kinde zu einer schweren Erkrankung führen kann.
Als Basisdiagnostik dient die Hämoglobin-Chromatographie in Kombination mit den Blutbildparametern, eventuell ergänzt durch Ferritin, Transferrinsättigung, Leberenzyme und Retikulozytenzählung. Bei auffälligem Chromatogramm ist in manchen Fällen eine erweiterte molekularbiologische Diagnostik zum direkten Nachweis eines Gendefektes, vor allem bei Vorliegen einer Punktmutation, bzw. kleiner Deletionen oder Insertionen notwendig. Die molekularbiologische Diagnostik kann ebenso von Nutzen sein, falls eine Hämoglobinopathie nach vor kurzem erfolgter Transfusion diagnostiziert werden muss.
Indikationen zur Abklärung von Hämoglobinopathien sind Anämien nach Ausschluss eines Eisenmangels, durch Medikamente induzierte Anämien, Gefäßverschlusskrisen ungeklärter Ätiologie bei Patienten aus HbS- und/oder HbC-Verbreitungsgebieten, hämatologisch bedingte Zyanosen, Polyglobulien/ Erythrozytosen ungeklärter Ätiologie, fetale und neonatale Anämien. Siehe auch  Kapitel 23, Genetik, Thalassämie Diagnostik.

Einteilung der Hämoglobinopathien:

ß-Thalassämie-Syndrome

¿

ß-Thalassaemia minor

hypochrome, mikrozytäre Anämie mit Hb-Werten die meist nicht unter < 9,5 g/dl bei normaler Erythrozytenzahl; Ferritin mormal bis leicht erhöht. HbA2 ist immer erhöht, HbF ist in 50% der Fälle leicht erhöht, HbA1 ist dagegen immer erniedrigt. Geringe Anämiesymptomatik und eventuell leichte Milzvergrößerung
¿

ß-Thalassaemia major

syn. Cooley-Anämie, hypochrome mikrozytäre hämolytische Anämie mit Werten für erhöhtem HbA2  und HbF. Hepatosplenomegalie bereits ab dem 3. Lebensmonat, Wachstumsstörungen, Skelettveränderungen durch gesteigerte Erythropoese sowie Organschäden durch Hämosiderose, Transfusionsbedarf

¿

ß-Thalassaemia intermedia

Mildere Form der ß-Thalassämie
¿ dß-Thalassämien Verminderte oder fehlende Bildung von delta- und beta-Ketten. Heterozygote Formen haben klassische Th. minor-Konstellation, HbF erhöht 5 -10 %, aber niedriges HbA2. Homozygote Formen haben 100 % HbF durch verstärkte Gamma-Kettenbildung.
¿

d-Thalassämien

Fehlende oder verminderte Bildung von delta-Ketten (HbA2), da diese nur geringen Anteil ausmachen hat der Mangel nur geringen klinischen Effekt, HbA2 ist vermindert.
¿

Hb-Lepore-Syndrom

Mikrozytäre hypochrome Anämiie (ähnlich ß-Thalassämie), Anisozytose und Poikilozytose mit Target cells, basophile Tüpfelung; Homozygote und Heterozygote haben ein der ß-Thalassämie ähnliches klinisches Bild.
¿

Hereditäre HbF-Persistenz

Mikrozytäre und leicht hypochrome Anämie, leichte Anisozytose und Poikilozytose, normale Retikulozyten. Bei Neugeborenen sind ca. 70 % des zirkulierenden Hämoglobins HbF und ca. 30 % HbA. Erwachsenenverhältnisse werden nach ca. 1 œ Jahren erreicht. Bei der HPFH bleibt die Bildung von HbF auch im Erwachsenenalter bestehen. Klinisch sind die Betroffenen unauffällig. (erhöhtes HbF auch bei hereditärer Sphärozytose, myelodysplastischem Syndrom, Leukämien, perniziöser und hypoplastischer Anämie).

a
-Thalassämie-Syndrome
¿

a-Thalassaemia minor

Deletion von 2a-Globin-Genen, hypochrome mikrozytäre Anämie, Hämoglobine (Hb) A2 und F sind nicht signifikant verändert, molekulargenetische Diagnose, klinisch oft unauffällig
¿ a-Thalassaemia major

syn. Cooley-Anämie, oft nicht lebensfähig wegen Abort, fetalen Fehlbildungen, Hydrops fetalis

¿ HbH-Krankheit

stark ausgeprägte hypochrome mikrozytäre Anämie, Heinz-Körperchen, molekulargenetische Diagnose, leichtere Thalassämie-Form, wenig Symptome, da noch HbA gebildet werden kannen.

¿

Hb Constant-Spring

Milde mikrozytäre hypochrome Anämia, variable Poikilozytosis mit Target cells und Anisocytosis; in der Hb-Chromatographie Hb Bart und HbCS nachweisbar, HbA2 erniedrigt. Vorkommen in Südostasien.

¿

Hb Bart's Hydrops-fetalis-Syndrom

vollständiger Verlust der a-Globin-Gene, Hb Bart-Variante über 80%; Hydrops fetalis führt zwischen dem 5. Schwangerschaftsmonat und dem Geburtstermin zum intrauterinen Fruchttod, mit anämischem Anasarka und signifikanter mütterlicher Morbidität.


Häufige HB-Anomalien
¿ Sichelzellanämie
HbSS, HbSC, HbSO, HbSE, HbS-Lepore, HbS/ß-Thal., HbS/a-Thal., HbS/HbH

hämolytische Anämie, Sichelzellen, Howell-Jolly, Target-Zellen, Nachweis und Quantifizierung von HbF und HbS;
Klinik: Mikrothromben, Gefässverschlüsse Infarktsyndrome, Asplenie, Knochendeformationen;
Heterozygot: meist asymptomatisch, selten treten Bauchkoliken auf. Leichte Erhöhungen der Leberwerte und Bilirubins, selten ist das Blutbild auffällig. Diagnose wird über HBS-Nachweis.
Homozygot: Patienten sind von frühester Jugend an transfusionsbedürftig und versterben oft an der zunehmenden, transfusionsbedingten Hämosiderose.

¿

HbE
HbEE, HbAE, HbE/ß-Thal., HbE/a-Thal., HbE/HbH

hypochrom-mikrozytäre Anämie (MCV um 65 fl), leichte Erythrozytose und Targetzellen, HBE: 20-40%;
zweithäufigst, homozygot als Thalassämieform, Hämolyseverstärkung nach Einnahme von Medikamenten oder bei Virusinfekten. Die heterozygote Form macht sich u. U. als geringgradige Anämie mit variabler Hypochromie bemerkbar (Vorkommen v. a. in Thailand, Laos, Burma, Malaysia, Kambodscha).

¿

HbC
HbCC, HbAC, HbC/ß-Thal., HbC/a-Thal.

Leichte bis mittelschwere hypochrome, normo- bis makrozytäre Anämie, im Blutausstrich oft mehr als 90% Targetzellen, Mikrozytose, Kristalle, Retikulozytenzahl leicht erhöht auf 2-6%. Hb besteht zu 96-98% aus HbC, der Anteil an HbF ist leicht erhöht, HbA fehlt;
Klinik: hoher Frequenz in Westafrika. Die heterozygote Form zeigt keine hämatologischen Veränderungen, während die homozygote Form aufgrund eines vermehrten Abbaus der sphärozytisch veränderten Erythrozyten in der Milz mit einer leichten bis mittelschweren hämolytischen Anämie einhergeht. Splenomegalie

¿

HbD
Punjab, Iran, Ibadan, Ouled Rabah, Los Angeles, Camperdown, Neath

Die Hämoglobinopathie D beruht auf einer Punktmutation GAA-->CAA im Codon 121 des beta-Globin-Gens, welche zu einer Aminosäurensubstitution Glu-->Gln in der beta-Globinkette führt. Das Hämoglobin D ist weltweit verbreitet, gehäuft aber auf dem indischen Subkontinent (Inzidenz 2-3%). Heterozygote Träger sind im allgemeinen klinisch symptomlos und hämatologisch unauffällig.


seltene Hb-Anomalien

¿ instabile Hämoglobine
z.B.Hb-Zürich

Sulfonamide führen zur akuten Hämolyse.

¿ HbM-Varianten
Hb-Boston, Hb-Hyde Park, Saskatoon, HbM-lwate, HbM-Milwaukee
Methämoglobin erhöht, erythrozytäre Heinz-Körper, M-Variante nicht in Hb-Chromatographie erkennbar !
Zyanose bei Kindern
¿

Hb-Variante mit erhöhter O2-Affinität;
Hb-Bethesda, Hb-Yakima, Athens-Georgia

Polyglobulie, Hb-Werte >16 g/l;
Patienten sind relativ wenig beeinträchtigt, außer durch Zeichen der Plethora sanguinea. Aderlässe sind nur bei einem Hyperviskositätssyndrom indiziert.

¿

Hb-Variante mit erniedrigter O2-Affinität; Hb-Kansas

Anämie, Zyanose

¿

Hb-Varianten mit falsch hohem HbA1c (Hb Okayama etc.)