Allgemeines
Seit Mitte der 90-iger Jahre ist bekannt, dass die Serumspiegel von Procalcitonin - dem Prohormon des Calcitonins - bei generalisierten bakteriellen Infektionen erhöht sind. Durch bakterielle Zellwandbestandteile wird im retikuloendothelialen System, insbesondere in Leber und Milz, die Synthese von Procalcitonin induziert. Im Gegensatz zum Calcitonin, das von den C-Zellen der Schilddrüse als aktives Hormon sezerniert wird, ist die Funktion von Procalcitonin noch nicht geklärt.
Länger bekannt ist die Korrelation des Procalcitoninspiegels als Frühmarker mit dem Ausprägungsgrad einer bakterielle Sepsis. Gegenüber den sonst eingesetzten Entzündungsparametern haben sich folgende Vorteile in der Klinik bewährt:
. deutlich erhöhte Werte nur bei bakteriellen, parasitären und pilzbedingten Infektionen
. rascher Anstieg bei beginnender Infektion
. rascher Abfall bei erfolgreicher Therapie
. Anstieg auch bei immunkompromittierten Patienten
Während das Problem der Sepsis fast ausschließlich im klinischen Bereich von Bedeutung ist, bringt die Erstellung von Kriterien für ambulant häufige Erkrankungen, wie tiefe Atemwegsinfektionen, einen breiten Nutzen.
Eine aktuelle Studie belegt nun zusätzlich den Nutzen der Procalcitonin-Bestimmung zur Differenzierung bakterieller Infektionen von anderen Erkrankungen, z. B. virale Infektionen der unteren Luftwege. Es gilt zu beachten, daß sich auch im Verlauf zunächst viraler Erkrankungen eine bakterielle Superinfektion ausbilden kann.
Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, daß ca. 75% aller Patienten mit einer Infektion der unteren Luftwege mit Antibiotika behandelt werden, obwohl die antibiotische Therapie nur in ca. 20 % der Fälle indiziert ist. Insgesamt werden ca. 50% aller Antibiotika für derartige Infektionen verschrieben. Vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren dramatisch ansteigenden Resistenzentwicklung gegen Antibiotika und einer steigenden Kostenentwicklung ist eine Beschränkung der Antibiotikatherapieauf nachweislich notwendige Fälle eine sinnvolle Gegenstrategie. Die Resultate der Studie zeigen, dass durch die Testung von Procalcitonin der Einsatz von Antibiotika ohne negative Folgen für den Patienten reduziert werden kann.
Bewertung
Behandlungskriterien Bakterielle Infektion der unteren Luftwege:
< 0.10 |
kein Hinweis auf eine bakterielle Infektion |
? keine antibiotische Therapie |
|
= 0.10 - < 0.25 |
bakterielle Infektion nicht wahrscheinlich |
? primär keine antibiotische Therapie |
|
= 0.25 - < 0.50 |
bakterielle Infektion möglich |
? antibiotische Therapie angeraten |
|
> 0.50 |
bakterielle Infektion wahrscheinlich |
? antibiotische Therapie dringend empfohlen |
Falsch hohe PCT-Werte ohne erkennbare Infektionszeichen bei:
Calcitoninproduzierenden Tumoren (z.B. medulläres Schilddrüsenkarzinom, Karzinoid, kleinzelliges Lungenkarzinom mit paraneoplastischer Hormonproduktion, physiologisch bei Neugeborenen, ARDS (acute respiratory distress syndrome, Malaria, systemische Pilzinfektion (sehr variable PCT-Werte), schweres Trauma, nach grösseren Operationen, schwere Verbrennungen oder Hitzschlag, Anti-Thymozytenglobulintherapie bei der Behandlung von Abstossungsreaktionen, Behandlung von familiären Mittelmeerfieber;
falsch tiefe PCT-Werte:
sehr früh im Verlauf einer Infektion, streng lokalisierte Infektionen (z.B. Abszess), subakute Endokarditis.
Indikation
Abklärung Sepsis, Beurteilung von Schweregrad und Prognose der Sepsis, Erkennung von Hochrisikopatienten, Behandlungspflicht bei bakterieller Infektion tiefer Luftwege
Schlüsselworte
PCT
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